TEXT: ARTUR K. VOGEL

Der mythische, mehr als 4000 Kilometer lange Mekong heisst in Laos «Meh Nam Kong» oder «Die Mutter aller Wasser». Auf der rund 350 Kilometer langen Strecke von Luang Prabang hi- nauf zum Goldenen Dreieck, wo Laos auf Thailand und Myanmar trifft, ist der Fluss besonders tückisch. Knapp unter der Oberfläche verbergen sich Felsen und Sandbänke und es gibt viele Strudel und Stromschnellen. Kapitän Vanhsi verlässt sich auf seine Erfahrung; elektronische Navigationsgeräte lehnen er und seine Kollegen ab. Mindestens zehn Jahre müsse man den Fluss kennenlernen, bevor man ein Schiff wie die «Mekong Pearl» kommandieren dürfe, sagt Thomas Stukenbrok. Der Deutsche, der seit zwanzig Jahren in Myanmar lebt, ist als Cruise Director auf der Mekong Pearl. Am ersten Abend hat uns Hans Engerding einen kurzen Besuch abgestattet. Der Unternehmer aus dem deutschen Westfalen ist Eigentümer der Mekong Pearl und ihres Schwesterschiffs Mekong Sun. Ein drittes Schiff seiner Mekong River Cruises wird im November 2024 vom Stapel laufen. Engerding arbeitet eng mit Thurgau Travel zusammen, dem Spezialisten für Flusskreuzfahrten in Weinfelden, der die Flussfahrt in Laos anbietet. 

Thomas Stukenbrok – der Deutsche, der seit zwanzig Jahren in Myanmar lebt, ist als Cruise Director auf der Mekong Pearl tätig. (Bild: ZVG). 

Normalerweise dauert die Fahrt zwei Wochen und fängt in der Hauptstadt Vientiane an. Während der Regenzeit von April bis Ende September ankern die Schiffe aber auf halber Strecke in der ehemaligen Königsstadt Luang Prabang. Von dort fahren wir auf der ersten Tour der Saison 2023/24 hinauf zum Goldenen Dreieck. 

Die Mekong Pearl. (Bild: Ross Hillier)

PRÄCHTIGE KÖNIGSSTADT 

Luang Prabang, eine Stadt mit rund 70 000 Einwohnern, war einst Sitz der laotischen Könige. Nach dem Vietnamkrieg, unter dem Laos in besonderem Mass litt, wurde der letzte Monarch 1975 von den Kommunisten abgesetzt, die bis heute herrschen. Was vom Königreich übriggeblieben ist, sind Paläste und 22 traditionelle, spitzgiebelige buddhistische Tempel. Zusammen mit der Altstadt im Kolonialstil machen sie aus Luang Prabang eine ungemein attraktive Destination. Ein besonderes Spektakel ist die Speisung der Mönche am frühen Morgen. An der Strasse aneinandergereiht sitzen Männer und Frauen. In leuchtende, orange oder rote Gewänder gehüllt, ziehen die kahlgeschorenen Mönche in Einerreihe stumm vorbei, halten Gefässe hin, die alle Spenden aufnehmen: Reis, Geldscheine, Früchte, Currys. 

Sonnendeck mit Aussicht und stilvolle Kabinen mit französischem Balkon auf der Mekong Pearl. (Bild: Adri Berger)

Die Dörfer entlang des Flusses bilden einen krassen Kontrast zur ehemaligen Residenzstadt: Muang Keo in der Nähe von Luang Prabang kennt einen bescheidenen Wohlstand, weil hier nach traditionellen Methoden Reisschnaps gebrannt und in der Stadt verkauft wird. Houay Lam Phen hingegen, von einigen Dutzend Familien aus dem Volk der Mongh bewohnt, wirkt ärmlich. Sobald wir am sumpfigen Ufer angelegt haben, bedrängen uns Dutzende Kinder, die selbst ge- bastelte Souvenirs verkaufen wollen. Sie begleiten uns auf unserem ganzen Spaziergang durchs Dorf. Etwas prosperierender scheint das Dorf Don Mixay. Die Schulgebäude wirken vergleichsweise proper; viele Kinder tragen Schuluniformen. Thomas Stukenbrok zeigt uns dieses Dorf mit Stolz. Denn Schule und Uniformen wurden von Mekong River Cruises – und damit indirekt von den Gästen – gesponsert. 

Ein Nachtmarkt in Luang Prabang. (Bild: ZVG)

Tage später, im Goldenen Dreieck angekommen, sehen wir von Weitem eine andere Form der Engwicklungshilfe: Am Ufer des Mekong wächst eine pompöse Hochhaussiedlung empor. Hier, auf laotischem Boden, aber vom gegenüberliegenden thailändischen Ufer besonders gut sichtbar, bauen Chinesen eine Retortenstadt mit Casino, Hotels, Wohnblöcken, Schulen, Krankenhaus und Einkaufs zentrum. Eine ganze Stadt für dereinst 50 000 Chinesen ist hier geplant. Im Gegensatz zu den Amerikanern, welche die Gegend mit einem furchtbaren Krieg zwischen 1955 und 1975 zu dominieren versuchten, setzten die Chinesen auf wirtschaftliche Eroberung und das mit grossem Erfolg – mit massiven Folgen für das Land. Wer sich in Laos als Entdecker fühlen möchte, muss sich wohl beeilen. 

Die Klassik-Kabine auf der Mekong Pearl. (Bild: Ross Hillier)